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Schon das ganze Jahr habe ich mich auf das Snapphaneracet in Schweden gefreut. Nur 40km vom Urlaubsort entfernt in einem der größten Buchenwälder Schwedens bei meist perfekten Temperaturen – was soll da schon schiefgehen? Na ziemlich viel halt …
Am Vortag der Abreise nach Schweden sollte es noch einen entspannten Easy Run im heimischen Wald geben, bevor ich in der folgenden Nacht zig Stunden Auto fahre. Also rein in die Schuhe und den Wald. Nach 4km war es dann irgendein Ast, den ich auf dem Trail übersehen habe und mich nötigte einen monströsen Ausfallschritt mit dem rechten Bein zu machen.
Wäre ich mit meiner Yoga- und Pilates-Karriere schon weiter fortgeschritten gewesen, kein Ding. Aber so war es dann deutlich zu viel und ein aus der Hölle exportierter Schmerz strecke mich nieder. Ein paar Minuten später war ich mir sicher: entweder ein Muskelfaserriss oder eine Zerrung allererster Klasse. Beides saublöd, sieben Tage vor dem nächsten Ultra. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, also nach Hause gehumpelt, alles an Eis drauf was der Eisschrank hergibt und ab nach Schweden.
Sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass sich nach etwa 100km das linke, hintere Radlager des T6 ins Nirvana verabschiedet hat und die nächsten 800km zunehmend nerviger Krach gemacht hat? Nein, dann lassen wir das.
Ich erzähle dann auch nicht, dass wir in der folgenden Woche nicht in der Lage waren eine freie Werkstatt während der schwedischen Ferien zu überzeugen den Mist zu reparieren. Einzig VW selbst wollte das gerne tun, für den Preis hätte ich in Deutschland aber alle 4 Radlager tauschen lassen können. Das Problem wurde nach dem Rennen gelöst.
Bis zum Donnerstag vor dem Rennen am Samstag war an Lauftraining nicht zu denken. Gehen ja, Laufen nein. Immerhin konnte ich ab Dienstag wieder vorsichtig mit der Faszienrolle arbeiten und Tag für Tag wurde es ein klein wenig besser. Erst am Vortag des Rennens war es möglich 10K halbwegs schmerzfrei zu absolvieren, auf dem weichen Waldboden rund ums Ferienhaus. Suboptimale Bedingungen um beim Snapphaneracet 56K und 1600hm zu absolvieren – in einem Buchenwald der stark verblockt ist und förmlich nach Technik schreit.
Start um 10:00, Cut Off um Mitternacht (aber eher für die Läufer auf der 50 Meilen Strecke gedacht). Die Strecke liegt zu 99% im Wald und nimmt absolut jeden Anstieg mit, der sich anbietet, denn richtige Berge gibt es hier nicht.
Dementsprechend läuft man auf den Waldtrails im Zickzack alles hoch was Höhenmeter hat und die Trails sind gespickt mit Steinen jeder Größe. Konzentration ist angesagt, sonst liegt man permanent auf der Fresse. Entsprechend unrhythmisch ist das Laufen, liegt mir nicht so gut. Ich mag mehr die langen Anstiege und flowige Downhills.
Nach den ersten 5km dachte ich mir mit einer Pace unterhalb von 6 Min/km noch, wow – gutes Tempo im ersten Viertel des Felds. Beeindruckte mich eher nicht, denn in der Regel werden die Toten am Ende gezählt und man sammelt diejenigen später ein, die es zu Beginn zu schnell angehen ließen. Ganz offensichtlich haben die Schweden aber ein weitaus realistischere Selbsteinschätzung oder viel mehr Erfahrung, denn das Rennen war im Prinzip nach 5K so sortiert, wie es nach 56K ausschaute. Nix mit „Einsammeln“, kaum Plaudereien im Feld, Trailrunning am oberen Ende meiner vertretbaren Skala.
Den ersten VP nach 12.5k habe ich überlaufen und ein paar Plätze gut gemacht, dann gings einen Anstieg über etwa 130hm hinauf zum höchsten Punkt der Strecke. Da oben waren es dann erstaunliche 25 Grad und nach dem Regen der letzten Wochen auch echt schwül.
Von hier dann hinein ins Gehölz, kein Trail mehr, überall Totholz, so langsam mutierte das Ganze zum Orientierungslauf inkl. Verlaufen. Nach 500m raus über einen abgeholzten Hügel mit Totholz, hier wusste ich mal kurz gar nicht mehr wo es weiterging, zu weit gesteckt die Markierungen und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass es ernst gemeint ist, über diesen Holz- und Reisighaufen wieder bergab zu laufen.
Unvorstellbar, dass ein Veranstalter bei uns so etwas einplant, viel zu hohe Verletzungsgefahr. Laufen war mir hier zu gefährlich und eh kaum möglich. Überhaupt war es oft kaum möglich die bergauf verlorene Zeit bergab zu kompensieren, wie das in den Alpen oft wunderbar klappt. Zu ausgesetzte und verblockte Trails, nasses und loses Moos, Totholz, hochstehende Äste. Wie das die 3 schnellsten gemacht haben, ist mir zweifelhaft.
Danach gings dann wieder zivil bergab und kreuz und quer über die Trails in Richtung Ziel, natürlich nicht direkt, denn man musste ja noch die knapp 800hm der Runde vollbekommen. Irgendwann war dann das Ziel greifbar und überaus gerne hätte ich das Ding dann auch an der Stelle beendet, unerwartet kraftraubende Angelegenheit. Also Flaschen am Dropbag getauscht, neue Liquids eingesteckt und wieder rauf auf den Trail, dieses Mal aber gegen den Uhrzeigersinn und somit die Strecke zurück, die ich gerade vom Berg herunterkam.
Warum mich Charlotte beim Wendepunkt fragte, ob wir einen zweiten Autoschlüssel dabei haben, habe ich nach meinem „Nein“ nicht tiefer ergründet. Sauerstoffarmut, andere Probleme, war besser nicht nachzufragen. Auflösung später….
Kilometer 35 war dann der erste Tiefpunkt erreicht, motivatorische Tieffliegerei. Eine Quelle mit eiskaltem Wasser die Rettung, Kopf rein, Mütze nass machen – ging wieder. Bei km 40 erreichte ich erneut das Totholzgelände und hab mir zur Begrüßung erstmal mit der Fußspitze rechts einen Knüppel mitgezogen und gegen die linke Achillessehne geknallt. Dachte schon das wars, aber der Schmerz ging wieder.
Ab hier schlich sich der Schongang immer mehr ein und damit auch die Gefahr mit fortschreitender Ermüdung die Füße nicht mehr ausreichend hoch zu nehmen. Gefühlt bin ich ab hier bis zum Ziel noch 100x irgendwo vorgedonnert, vor allem Links. Enge Trails, fast alles ausgesetzt und verblockt. Resultat: Zehen links geprellt, großer Zeh blau. Learning: Auf solchen Kursen ab jetzt min. halbe Schuhgröße mehr. Hab ich in den Alpen bisher nie gebraucht.
An km 42.5 (unbesetzte Station) lauerte eine 2l Colaflasche. Mit so etwas bin ich sehr vorsichtig, wenn das Ziel noch so fern ist, aber ich hatte noch genug Squeezy Liquids, um nach dem Zuckerschock der Cola den abfallenden Insulinspiegel aufzufangen. Ab km 50 wurde es dann richtig übel. Das Knie rechts zickte herum, nach 50m Gehen ging es dann wieder.
Das Spiel wiederholte sich noch bestimmt 20x und hat mich den 8. Platz gekostet. 3km vor dem Ziel war es dann wieder gut und ich konnte noch einmal Gas geben, sehr zum Entsetzen des Läufers vor mir, der sich die „leichte Beute“ wohl anders vorgestellt hat. Er war ein wenig gestresst, weil ich noch einmal fast aufschließen konnte, hat es dann aber ins Ziel gerettet.
So, meine Güte war das krass. Erster Wettkampf-Ultra seit 1996, angesichts dieses Feldes bin ich absolut zufrieden mit der Platzierung. Keine Pause, alles durchgelaufen, fast die gesamte Strecke alleine im Wald herumgestolpert und die Pain Cave erfolgreich wieder verlassen.
Die Zerrung im Vorfeld habe ich nicht mehr wirklich gespürt. Glück gehabt.
Ergebnis: 9. Gesamtrang – 56K und 1.520hm, Zielpace 7:19, Zielzeit 6:49.
Absolut null Probleme mit der Energieversorgung. 12 Squeezy Liquids und 1l Squeezy Energy Drink, dazu 3l Elektrolytgetränk, 10 Salt Tabs, 2l Umara Sportgetränk (schwedische Marke), 300ml Cola, 1 Tüte Powerbar PowerShots Cola. Keine Krämpfe, keine Magenprobleme – tiptop!
Und noch ein Learning: Die Salomon Flasks mit festem Boden funktionieren in den Compressport Ultrun Laufwesten nicht! Hab jetzt beidseitig blaue Flecken auf den Rippen.
Schuhwahl: Topo MTN Racer 2 – gute Wahl, absolut sicher und bequem, keine Blasen. Eine halbe Nummer mehr, wäre aber hilfreich gewesen.
Socken: Injinji Ultra Run Crew. Super, wenn es die bunten Versionen jetzt noch als lange Ausgabe gäbe! Traut Euch mal was, ihr Langweiler!
Auflösung: Man (Frau) hatte den Schlüssel im Kofferraum liegen lassen und die Heckklappe geschlossen. Das nur zum Teil smarte Auto hat dann mal vorsorglich verriegelt. Ein reizender Mensch mit dem passenden Werkzeug und einem Kreditkartenlesegerät hat das Problem nach dem ersten Schock (Preis!) gelöst. Mein Schock folgte dann kurz nach dem Zieleinlauf. Auto auf, Urlaubskasse leer. Erst das Radlager, dann Auto aufbrechen und der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass auf dem Rückweg die Klimaanlage schlapp machte und bei 35 Grad Außentemperatur den Dienst einstellte. Die freundliche Werkstatt daheim hat auch hier Abhilfe geschaffen und das Konto weiter geleert.