Inhalt
Das Thema „Everesting“ beschäftigt mich schon viele Jahre, allerdings stammt die Idee aus meiner Radsportzeit und ist über 15 Jahre alt. Die Herausforderung dabei ist, mit dem Bike in zig Abschnitten und an einem Berg knapp 9.000 Höhenmeter zu fahren und zwischendurch entspannt bergab zu rollen. Leider funktioniert das als Trailrunner nicht so richtig …
Eine Facebook-Anzeige vom Everesting-Event Alpin8 in Österreich hat die Idee wieder aufleben lassen. Die aufgerufenen 600 Euro waren allerdings abschreckend genug. Hier stimmt mir die Relation einfach nicht. Klar, man darf nach 17 Aufstiegen jedes Mal mit der Gondel abfahren, Tag und Nacht – das ist schon nett – aber hey, 600 Euro! Für das doppelte bin ich in Jordanien 5 Tage durch die Wüste gelaufen, war rundum betreut, es gab Ärzte, Physios, Busfahrt von Amman hin und zurück und Jeepfahrten ins Camp bei einer Teilnehmerzahl, die der Hälfte vom Alpin8 entspricht. Egal, 600 sind einfach aus meiner Sicht too much für dieses Abenteuer.
Everesting – die Regeln
Die Regeln des Everesting sind ein wenig fließend, da es keine wirklich offizielle und allgemeine Instanz dazu gibt. Allgemein anerkannt ist jedoch Everesting.cc, die mit Strava und verschiedenen anderen Plattformen arbeiten.
Im Grunde gleicht das Regelwerk für Trailrunner dem der Radfahrer:
- Die zu absolvierende Strecke muss einen Höhenunterschied von 8.848 Höhenmetern (Höhe des Mount Everest als Namensgeber) aufweisen und dies an einem einzigen Anstieg. Dies bedeutet, dass Rennen wie das UTMB-Hauptevent in Chamonix nicht als Everesting durchgehen, obwohl sogar über 1.000hm mehr als erforderlich innert 26,5 Stunden absolviert werden müssen.
- Da es keine konstanten Anstiege in einer solchen und auch nicht entfernten Größenordnung gibt, muss ein Anstieg mehrfach bzw. zigfach wiederholt werden. Und zwar so oft, wie es braucht, um die erforderlichen Höhenmeter zu erzielen.
- Die jeweilige Bergabstrecke darf mit Hilfsmitteln überwunden werden. Im Prinzip ist dafür alles erlaubt, also beispielsweise Räder, Autos oder Bergbahnen.
- Immer wieder ist von Zeitlimits die Sprache, offiziell scheint es aber keines für gelaufene Everesting-Projekte zu geben.
- Die Streckenlänge spielt keine Rolle, sollte jedoch so kurz wie möglich ausfallen. Dabei unter 60K zu bleiben, ist in der Planung schon recht schwierig. In der Natur der Dinge liegt jedoch dieser Fakt: umso weniger Kilometer anfallen, desto steiler sind die Anstiege!
- Der Lauf muss elektronisch dokumentiert sein, hier bieten sich Laufuhren an. Da nur wenige Modelle Aktivitäten eine Länge von durchgehend 24h + X inkl. GPS-Daten aufzeichnen können, wird eine Lösung mit zwischenzeitlichem Laden benötigt.
Wir sehen, das Regelwerk ist recht einfach. Die Probleme stecken im Detail, insbesondere für Trailrunner!
Everesting – Erholung abwärts, aber wie?
Während sich die Frage für den Radfahrer nicht stellt, ist sie für uns Trailrunner ein echtes Problem. Der Radfahrer rollt den Berg einfach hinab, hält die Beine dabei still und ist extrem schnell wieder am Ausgangspunkt, das spart sehr viel Zeit. Das Bergablaufen von 9K sollte man eher ausschließen. Quadrizeps und Knie würden sich bedanken, der Zeitaufwand ist hoch und das Regelwerk gestattet Alternativen.
Was kommt also in Frage:
- Bikes / Karts | Das Gefährt muss nach der Abfahrt wieder nach oben geschafft werden, es entsteht also ein hoher logistischer Aufwand, der bei mehreren Teilnehmern mit zeitlichen Abstände immer komplexer wird.
- Auto | Ein Shuttleservice braucht viele Helfer und Autos. Nicht so ganz im Sinne naturverbundener Trailrunner.
- Bergbahn | Wie im Beispiel des Alpin8 muss der Betreiber „mitspielen“ und die Bahn über Nacht in Betrieb halten. Hier entstehen finanzielle Aufwände, wenn der Betreiber nicht aus Idealismus dabei ist.
Nach Sichtung einiger Anstiege am deutschen Alpenrand kam mir noch die Idee von langen Rutschen, wie z.B. dem Alpine Coaster in Oberammergau. Um zur Bergstation am Kolbensattel zu kommen, müssen 400hm überwunden werden, die danach sehr schnell mit dem Coaster wieder zunichte gemacht werden können. Der Anstieg auf dem Wanderweg ist ab Parkplatz 2,7 km lang, ziemlich ideal, denn so kämen bei knapp über 22 Besteigungen „nur 60K“ zusammen. Fragt sich, was der Betreiber des Alpine Coaster, die AktivArena am Kolben zu ein paar Verrückten sagt, die Tag und Nacht gerne Vorfahrt hätten. Eine Attraktion für die vielen Urlauber im Sommer wäre es ganz bestimmt und auch ein VP am Kolbensattel wäre vorhanden. Ziemlich perfekt.
Es gibt weitere Rutschen im Alpenraum, aber kaum eine überwindet 400hm und hat einen ähnlich geraden Trail den Berg hinauf. Der übrigens streckenweise auch ganz schön steil ist! Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn in Oberammergau bin ich schon oft zum Kolbensattel gelaufen.
Der ideale Zeitpunkt für Everesting
Die Veranstalter vom Alpin8 haben richtig erkannt, die Sonnenwende in der dritten Juniwoche ist ein perfekter Zeitpunkt. Maximal lang verfügbares Tageslicht, meist stabiles Wetter, mutmaßlich ideale Temperaturen. Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.
VPs, Pausen, Schlafen – was ist alles beim Everesting erlaubt?
Meines Wissens nach gibt es keine Einschränkungen. Die Zahl und Art von Verpflegungspunkten oder Aid Stations ist nicht geregelt. Es darf so oft pausiert werden wie jeder Teilnehmer will und so lange das Event dauert. Wer zwischendurch mit kurzen Powernaps Kraft sammeln möchte, kann das tun. Die Nutzung von Massagen etc. pp zwischendurch ist zulässig.
Da es bei allen Everestings immer mindestens zwei Konstanten gibt, nämlich einen Startpunkt im Tal und einen Wendepunkt auf dem Berg, sollten mindestens an diesen beiden Punkten VPs verfügbar sein. Bei größeren Streckenlängen ggf. auch mehr dazwischen, was aber auch den Aufwand steigen lässt.
Offene Fragen
- Wer hat Interesse an der Organisation eines Trail-Everestings in Bayern und würde bei Planung und Ausführung mithelfen?
- Wer mag mitlaufen?
- Wem sind direkt Denkfehler und Lücken in diesem Post aufgefallen und mag seinen Input beisteuern?
Gerne melden über unsere ThruElements-Facebook Page oder das Kontaktformular.
Streckenvorschläge
Ideenporno für potentielle Strecken, ohne aber mit dem Betreiber von Bergbahnen gesprochen zu haben:
Garmisch Partenkirchen / Grainau -> Kreuzeck Bergstation
Ab Station der Kreuzeckbahn (Höhe: 761m) entlang der Bahnstrecke der Zugspitzbahn nach Hammersbach ohne nennenswerte Höhenmeter über 1.7km. Von dort recht steil über den Jägersteig zur Bergstation der Kreuzeckbahn auf 1642m Höhe. 890 Höhenmeter sind auf insgesamt 6,11km zu absolvieren. Dies entspricht fast exakt 10 vollständigen Runs zum Kreuzeck und 61km Gesamtlaufstrecke. Viel weniger Kilometer kann man bei solch einem Event wohl nur auf einer Treppenanlage machen.
Vorschlag von Sebastian Riebandt
Alternativ dazu der direktere Weg an der Kandahar-Abfahrt und vorbei am Wasserspeicher über 870 Höhenmeter und 5,37 Kilometer pro Anstieg.
Oberammergau / Parkplatz Alpine Coaster -> Kolbensattelhütte
Ab dem Parkplatz der Kolbensesselbahn (887m) geht es über befestigte Wege 400 Höhenmeter über hinauf zur Kolbensattelhütte auf 1278m und von dort mit dem Alpine Coaster (Rodelbahn) wieder zurück zum Ausgangspunkt. Für die 8848 Höhenmeter sind 22 Runs und ein Fünftel zu bewältigen. Die Gesamtstrecke auf dem 2.7km langen Kurs beträgt dabei knapp 60km, was extrem effizient wäre.